Trump und meine Liste im Kopf

009Die Entwicklung beginnt nicht mit Trumps Wahl, aber seit Trumps Wahl nehme ich sie ernst: Der Vormarsch von rechten, autoritären Parteien und Führungsfiguren, gewählt von einem nicht kleinen Teil der Bewohner verschiedener Länder: in der Türkei und Russland, in Ungarn und Polen, auf den Phillipinen, in den USA. Und die möglicherweise erstarken in anstehenden Wahlen in Holland, Frankreich, Deutschland, anderswo.

Was ist zu tun – meine Liste im Kopf:

  1. Jetzt und nicht erst später sichtbar und öffentlich zeigen: ich bin nicht einverstanden, viele sind es nicht! Möglichkeiten für eine Gegenbewegung schaffen. Nicht erstmal abwarten, zuschauen. Das scheint gerade angenehmer, aber dadurch werden Fakten geschaffen, auch hier.Frauen können die Gegenbewegung jetzt besonders gut anführen, das zeigen die Womens Marches in den USA. Frauen sollen einerseits in den Zustand der 50iger Jahre zurückgebeamt werden, darauf laufen die Angriffe hinaus. Andererseits haben die Womens Marches gezeigt, dass die US-amerikanischen Frauen es geschafft haben, die ganze Gesellschaft im Blick zu behalten: sie maschieren nicht nur für weibliche Freiheit, ebenso für soziale Anliegen, für Minderheitenrechte und für Umweltschutz.

    Es war in den USA trotz Mißstimmigkeiten möglich, eine momentane Einheit herzustellen zwischen Frauen mit ganz verschiedenen und auch sehr gegensätzlichen Interessen. Auch Männer schlossen sich den Märschen an. In Polen und in der Türkei gab es zu einzelnen Aktionen der Regierungen ähnliche Frauenmärsche unter erschwerten Bedingungen. Auch in der Schweiz ist gerade einiges in Bewegung. In Deutschland wirkt es seltsam ruhig, aber das muss nicht so bleiben. Wichtig scheinen mir vor allem drei Dinge:

    – die Aktionen sollten angeführt werden von den Frauen, die am meisten marginalisiert werden und am verletzlichsten sind – das ist eine wichtige Erkenntnis aus den USA. Das sind zum Beispiel afrodeutsche Frauen, islamische Frauen, Migrantinnen, lesbische Frauen, Bi- und Transfrauen.

    – der Blick darf nicht an den negativen Dekreten und Vorhaben hängenbleiben: es muss vor allem positiv benannt werden, was wir bewahren, verteidigen und weiterentwickeln wollen. Für mich sind es momentan die Inhalte der Grundrechte und der Menschenrechte, die das zum Ausdruck bringen und die zugleich eine Basis bilden können, auf die man sich einigen kann. Weibliche Freiheit und Unversehrtheit und Würde, soziale Gerechtigkeit und Verantwortung, eine intakte Umwelt sind gefasst in den Grundrechten und Menschenrechten. Dabei geht es vor allem um die Inhalte, ein formales Pochen auf Rechte allein trägt nicht.

    – die Freude ist wichtig. Der Stolz auf das, was alles von der Frauenbewegung und anderen Bewegungen erkämpft und erschaffen wurde und gerade wird. Die Freude an dem guten Leben, das all das jetzt schon ermöglicht und das gelebt wird. “Das Fest ist hier!” hieß vor ein paar Jahren ein Buch der italienischen Philosophinnengemeinschaft Diotima.

  2. Eine Auseinandersetzung mit den Ideologien der Rechten ist nötig. Auch dann, wenn ein Teil ihrer Wählerinnen und Wähler Argumenten nicht mehr zugänglich ist. Aber es gibt Behauptungen, die als geschürte Ängste und als echte Probleme in der Luft liegen und für die allein die Markierung, dass sie rechts oder rechts motiviert sind nicht mehr reicht. Dazu gehört die Angst mancher Frauen, dass durch die Einwanderung islamischer Migrant_innen Errungenschaften der Frauenbewegung hier in Frage gestellt werden könnten. Oder die Behauptung, Globalisierung bringe nur Nachteile. Oder die Beschimpfung von “Gender” als “Wahn”. Eine ganze Reihe Leute haben an dieser Auseinandersetzung in den letzten Monaten gearbeitet, (z.B. Katrin Rönicke), aber sie könnte noch mehr Kontur bekommen.
  3. Die Arbeit an den emanzipatorischen Projekten, die einem am Herzen liegen, muss weitergehen, darf sich nicht aufhalten lassen von den rückwärtgewandten Aktionen der neuen Rechten und muss es auch nicht. Gerade weil diese Arbeit am ehesten geeignet ist, Lichtblicke zu schaffen durch neue Praktiken oder Freiräume schafft durch ein neues Verständnis des Vorhandenen. Ein Beispiel ist die Care-Bewegung, die zäh aber beständig um sich greift: die Care-Tätigkeiten selbst (wieder) mehr wertschätzen z.B. durch angemessene Vergütung oder eigene Beteiligung; aber auch immer besser verstehen, was Wirtschaft denn überhaupt bedeutet: Fürsorgetätigkeit als wirtschaften. Und Wirtschaft als sorgen für andere – wie sieht das aus?

Über Cornelia Roth

Ich bin von Beruf Psychologin mit eigener Praxis und lebe in München. Ich bin Ehrenvorstand im Verein Frauenstudien München, Mitautorin bei dem ABC des guten Lebens und schreibe ab zu bei Beziehungsweise-weiterdenken.

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